Mütter werden in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt. Um diese nüchterne Feststellung kommt man auch am Muttertag 2015 nicht herum. Sie werden bei der Rente benachteiligt und leben in einem System, das sich ausschließlich am Faktor Erwerbstätigkeit ausrichtet.
Wenn sie ihre Kinder in den ersten beiden Lebensjahren selbst erziehen wollen, laufen sie Gefahr, finanziell auf dem Zahnfleisch gehen zu müssen. Sie bekommen keinGehalt, und wenn der berufstätige Ehemann irgendwann abhauen sollte, hat unser Gesetzgeber dafür gesorgt, dass sie nur begrenzt Unterhalt bekommen und schnell wieder in den Arbeitsprozess gedrängt werden.
Eine Mutter, die sich freiwillig und meistens gern um die Erziehung ihrer Kinder kümmert, interessiert in der Politik und in der Feminismus-Industrie niemanden. Schlimmer noch, sie sind die einzige große gesellschaftliche Gruppe, die man ungestraft beleidigen darf. „Heimchen am Herd“ oder „vergeudetes Potential“ als geläufige Begriffe für Frauen, die einen wichtigen Dienst für ihre Kinder und die ganze Gesellschaft leisten, sind der wahre Sexismus unserer Zeit.
Beruflich erfolgreiche Frauen sind bewundernswert
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich finde beruflich erfolgreiche Frauen bewundernswert. Viele haben es in Politik, Medien und Wirtschaft ganz nach oben geschafft, meistens übrigens ganz ohne Quoten, sondern aus eigener Kraft. Aber sind sie deshalb wertvoller als die anderen?
Zwei Drittel der Eltern in Deutschland erziehen ihre Kinder in den ersten beiden Jahren zu Hause, meistens traditionell, das heißt, die Frauen tragen die Hauptlast auf ihren Schultern. Die meisten tun dies mit Hingabe undLiebe, bei Verzicht auf Freizeit und Konsum. Spätestens wenn sie irgendwann Rente beziehen, werden sie feststellen, dass sie ganz unten auf der Leiter stehen. Würden sie ihre Kinder in eine staatliche Betreuung schicken, wäre unserem Staat das pro Kind und Monat im Durchschnitt 1.100 Euro wert. Wer zu Haus bleibt, bekommt lumpige 150 Euro Betreuungsgeld.
330.000 Familien beziehen diese Leistung inzwischen, die erst nach erheblichen Scharmützeln und auf massiven Druck der CSU beschlossen wurde. Der Bedarf ist da. Inzwischen klagt das SPD-regierte Hamburg vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel, diese Leistung wieder abzuschaffen. Und in Thüringen, das nun erstmals die Freuden einer progressiven Regierung erleben darf, gehört die Abschaffung des Landeselterngeldes zu den ersten politischen Initiativen der Regierung Ramelow.
So könnte der Staat den Familien wirklich helfen
Mütter gelten den verantwortlichen Politikern im Lande nichts. Sie haben zu gebären, damit Demografie und Rentensystem nicht in eine Schieflage geraten, und dann ab in die Produktion. Geld verdienen, Steuern zahlen und nebenbei noch Erzieherinnenstellen sichern, denn auch dort werden Steuern gezahlt. Ein perfides System, bei dem niemand auch nur leise in die Debatte einzubringen versucht, was eigentlich das Beste für die Kinder ist.
Die Bindungsforschung hat dazu klare Erkenntnisse geliefert. Die ein- und zweijährigen Kindern brauchen keine „frühkindliche Bildung“, sie brauchenLiebeund Nähe. Wer könnte das im Normalfall besser leisten als die eigenen Eltern?
Wenn unser Staat wirklich etwas für die Familien tun möchte, gäbe es genug offene Baustellen. Wie kann man Frauen und Männern ermöglichen, Erziehung ihrer Kinder und Berufstätigkeit besser zu vereinbaren?
Die Mehrheit der Eltern fordert nicht mehr Geld, sondern mehr Zeit für die Familie, sagt der 10.Familienbericht der Bundesregierung. Aber mehr Zeit gibt es nicht, ohne mehr Geld. So einfach ist das. Inzwischen gibt es ja nicht wenige Leute in Deutschland, die Kinder für eine Art Hobby halten. Was haben wir damit zu tun, wenn andere Leute Kinder haben wollen?
Jeder Tag sollte in Deutschland ein Muttertag sein
Diesen Ignoranten sollte man erklären, dass es diese Kinder sind, die später den Wohlstand erhalten sollen, den Fachkräftemangel ausgleichen, die Rente sichern. Es gibt kaum ein wichtigeres Thema, als Deutschland wieder zu einem Land zu machen, in dem Kinder willkommen sind. Und in dem die Leistung der Mütter respektiert und anerkannt wird. Mit Blumen einmal im Jahr ist es nicht getan.
In einem Kommentar für eine andere Zeitung habe ich vor zwei Jahren etwas vorgeschlagen, das ich heute gern noch einmal wiederholen möchte: „Jeder Tag sollte in Deutschland ein Muttertag sein. Zahlt ihnen ein vernünftiges Gehalt! Sorgt dafür, dass sie im Alter keine Sorgen haben müssen! Und wenn euch irgendwo auf dem Gehweg eine Frau mit Kinderwagen entgegenkommt, bleibt stehen und klatscht Beifall. Für die wunderbaren Frauen, die heutzutage noch Kinder zur Welt bringen.“
Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.focus.de.